Vertragsnaturschutz (Kreis Unna / Stadt Hamm)

Das Kulturlandschaftsprogramm (KLP, Umsetzungsinstrument des freiwilligen Vertragsnaturschutzes) im Jahr 2020 war geprägt durch die Übertragung auslaufender Verträge mit förderschädlichen Festsetzungen der Landschaftspläne in ein neugeschaffenes „Förderprogramm zum Erhalt und zur Extensivierung von artenreichem Grünland“. Dieses bot der Kreis Unna den betroffenen Landwirten zu gleichen Konditionen, aber ganz auf eigene Kosten an. Die Ausarbeitung der Vertragsinhalte sowie die Auswahl und Beratung der Landwirte für dieses Förderprogramm erfolgte maßgeblich durch Mitarbeit der Biologischen Station.

Wegen der Übernahme von zunächst 44 auslaufenden Grünlandflächen mit rund 64 Hektar reduzierte sich die Anzahl der KLP-Verträge drastisch. Ackerflächen sind von förderschädlichen Festsetzungen (wie z.B. Düngeverzicht, Festlegung eines frühestmöglichen Mahdtermins oder der Besatzdichte gleichlautend zu den Vorgaben der Maßnahmenpakete des KLP) nicht betroffen.

 

Bilanz des Kulturlandschaftsprogramms 2020

Das Gesamtvolumen an Flächen im Vertragsnaturschutz beträgt aktuell rund 256 Hektar. Es handelt sich überwiegend um rund 178 Hektar Grünlandflächen, von denen 43 Hektar beweidet werden. Als Mähwiese bewirtschaftet werden davon rund 85 Hektar.

Mähwiese im Kellerbachtal
ungedüngte Mähwiese im Kellerbachtal

Nasse und feuchte Grünlandflächen werden auf rund 24 Hektar mit dem Maßnahmenpaket der sogenannten Biotoppflege bewirtschaftet, also in der Regel nur noch einmal im Herbst gemäht, da sie wegen schlechter Befahrbarkeit nicht mehr landwirtschaftlich nutzbar sind. Weitere 19 Hektar werden mit einer sehr geringen Besatzdichte ganzjährig durch Heckrinder beweidet. Außerdem gibt es rund 8 Hektar Streuobstwiesen, auf denen die Pflegeschnitte und die extensive Unternutzung honoriert werden.

Die Grünlandflächen befinden sich nur noch mit insgesamt 112 Hektar in Naturschutzgebieten (NSG), da sie häufig von den oben genannten förderschädlichen Festsetzungen im Landschaftsplan betroffen sind. Die restlichen Grünlandflächen liegen mit rund 39 Hektar außerhalb von NSG in gesetzlich geschützten Grünland-Biotopen (GB) und mit 29 Hektar in Geschützten Landschaftsbestandteilen (LB).

Außerhalb von Schutzgebieten werden auch Ackerextensivierungen auf rund 78 Hektar im Vertragsnaturschutz gefördert. Deren Bewirtschaftern haben auf 58 Hektar ganz überwiegend das Brachepaket abgeschlossen; die restlichen 20 Hektar bestehen aus anderen Maßnahmen wie Blühstreifen, ungedüngten Ackerflächen mit einem doppelten Saatreihenabstand sowie einem Kiebitzschutzvertrag mit einem Bewirtschaftungsaufschub bis Mitte Mai. Das letztgenannte Programm wird im neuen Rahmenprogramm zum KLP nicht mehr angeboten, sondern soll durch zielführendere Brachepakete ersetzt werden.

 

Die Bilanz für die von der Biologischen Station in Hamm betreuten KLP-Verträge umfasst rund 32 Hektar an Ackerflächen sowie Grünlandflächen mit einem Weide- oder Mahdpaket von rund 44 Hektar.

Zahlreiche angebotene Grünlandflächen wurden in 2020 durch die Biologische Station begutachtet, konnten aber wegen der hohen qualitativen Anforderungen (Voraussetzung GB oder NSG) leider nicht in das KLP übernommen werden.

 

Sonderfall Kiebitzschutz

Für den Schutz von Feldvögeln, die gewohnheitsmäßig auf vegetationsarmen Ackerflächen brüten, bietet ein im Vorjahr abgeschlossener KLP-Vertrag oft keine Wirksamkeit, weil z.B. eine benachbarte, noch brach liegende Fläche für die Vögel attraktiver erscheint. Daher hat das Land NRW zum Schutz von Kiebitzen, Feldlerchen u.a. ein einjähriges Sonderprogramm erlassen, um aktuelle Bruten zu schützen, indem es einen Bewirtschaftungsverzicht auf sogenannten „Feldvogelinseln“ bis zur Ernte der umgebenden Hauptfrucht entschädigt und damit den Jungvögel auch nach dem Schlupf beste Aufwuchsmöglichkeiten bietet. Dieses Programm kann aber nur bei Vorkommen von mehreren Brutpaaren auf einer Fläche angeboten werden und gewährt auch keine auskömmliche Finanzierung von Hochertragskulturen wie Kartoffeln, Erdbeeren oder andere Sonderkulturen an.

unbearbeitete Teilfläche zum Schutz von Kiebitzbruten in Hamm mit Detailansicht eines Geleges

Wie in den Vorjahren wurden durch die Ornithologischen Arbeitsgemeinschaften (OAGen) Kreis Unna und Hamm auch Anfang April 2020 zur Identifizierung der betroffenen Ackerflächen sowie ihrer Bewirtschafter Synchronkartierungen von Kiebitzen durchgeführt. Diese ehrenamtlichen Kartierungen dokumentierten auch für 2020 wieder einen dramatischen Einbruch der Bruten gegenüber dem Vorjahr, nämlich nur noch 54 Brutpaare im Vergleich zu 95 Brutpaaren im Kreis Unna und 51 Brutpaare im Vergleich zu 70 Brutpaaren in Hamm. Der Trend der Konzentration auf einige Gunstflächen (meist großflächig und feucht) hält dabei an.

In 2020 konnten nach Einwerbung durch die Biologische Station zunächst Feldvogelinseln auf drei Flächen in Hamm-Westhusen und Hamm-Haaren sowie auf einer Fläche in Werne-Horst erfolgreich umgesetzt werden.

Wegen der Begrenzung der förderbaren Schutzflächen auf maximal 2 Hektar wurden die Bruten in Hamm auf den angrenzenden Teilflächen mit Hilfe einer Entschädigung der Stadt Hamm für einen Bewirtschaftungsaufschub bis Anfang Mai bis zum Schlupf der Küken ebenfalls geschützt. Mitarbeiter der Biologischen Station kontrollierten dann während der Aufnahme der Bewirtschaftung diese Teilflächen auf dort noch befindliche Jungvögel, um sie vor dem Pflug zu schützen und auf die Feldvogelinsel zu tragen.

In Werne-Horst konnte eine weitere Fläche mit Zweitbruten von Kiebitzen noch nachträglich in das einjährige Schutzprogramm des Landes aufgenommen werden.

Auf einem 5 Hektar großen Acker im KLP-Programm mit einem Bewirtschaftungs-aufschub bis Mitte Mai wurden ebenfalls Zweitbruten des Kiebitz sowie Feldlerchen-bruten festgestellt und durch die Naturschutzbehörde des Kreises Unna als Brache bis zum Herbst diesen Jahres entschädigt. Das häufige Vorkommen von nachträglichen Bruten, auch von anderen Feldvögeln wie Schafstelzen, Rebhühnern u.a. ist der Grund, aus dem dieses Programm im KLP ab 2020 nicht mehr angeboten wird. Der Feldvogelschutz soll stattdessen über die Brachen erfolgen, die ganzjährig unbewirtschaftet bleiben bis auf die notwendigen Pflegemaßnahmen wie das Umbrechen bis Mitte / Ende März.

Für einzelne auf einer Fläche brütende Kiebitzpaare konnte auch in 2020 nur das Markieren angeboten werden, so dass die Landwirte diese Gelege kleinflächig von der Bearbeitung der Ackerflächen aussparen. Solche Markierungen nahm die Biologische Station auf einer Fläche in Hamm-Herringen und auf der angrenzenden Teilfläche der einjährigen Schutzfläche in Hamm-Westhusen vor.

Auch in 2020 brüteten viele Kiebitze wieder in lückig aufgegangenem Wintergetreide. Da die Gelege meistens nach dem Hochwachsen des Getreides aufgegeben werden und folgerichtig auf Wintergetreide kein Schutzprogramm angeboten werden kann, wurden die entsprechenden Landwirte nur telefonisch informiert. Ebenso wurden einige Landwirte mit vermuteten, aber nicht lokalisierbaren Gelegen gebeten, bei ihren Bewirtschaftungsgängen auf die zumeist auffälligen Brutvögel zu achten und die Gelege möglichst zu umfahren.

Im Vorfeld der Kiebitzkartierungen wurden die traditionellen Brutplätze bereits ab Mitte März von der Biologischen Station kontrolliert. Dabei wurde auch darauf geachtet, ob die Absprachen mit den Bewirtschaftern der Nachbarflächen aus dem Vorjahr beachtet wurden. Bei sogenannten Hotspot-Gesprächen im Juli 2019 waren mit Hilfe und unter Beteiligung der Landwirtschaftskammer Landwirte in Selm und Werne eingeladen worden, um mit ihnen über die Optimierung der verbliebenen Konzentrationsflächen mit Kiebitzbruten im Kreis Unna zu sprechen. Zur Lenkung brutplatzsuchender Kiebitze auf die dort vorhandenen Vertragsnaturschutzflächen und Kompensationsflächen wurden die angrenzenden Bewirtschafter gebeten, Zwischenfrüchte erst möglichst spät im April unterzuarbeiten oder ihre Flächen mit Wintergetreide für die Kiebitze unattraktiv zu machen.

Diese Absprachen wurden dankenswerter Weise auch fast überall eingehalten.

 

Bilanz Kiebitzschutz 2020

Mit Hilfe des einjährigen Landesprogramms „Feldvogelinseln“ konnten mindestens 11 Erstbruten von Kiebitzen auf den 4 Vertragsflächen geschützt werden.

Auf Ackerbrachen im Rahmen des fünfjährigen Vertragsnaturschutzes (VNS bzw. KLP) brüteten zum Zeitpunkt der Erfassung von den 54 Kiebitzpaaren im Kreis Unna 2020 mindestens 11 Brutpaare, zu denen sich im Laufe des Frühjahrs noch weitere Brutvögel gesellten, die andernorts ihre Gelege verloren hatten. Auf dauerhaft gesicherten Kompensationsflächen, vor allem im Süden von Selm und im Nordosten von Werne, brüteten mindestens 9 Paare.

Von den 51 Brutpaaren in Hamm brüteten am 4. April nur noch 3 Kiebitzpaare auf einer der beiden langjährigen Vertragsnaturschutzflächen im Osten von Hamm. Vermutlich wegen anhaltender Störungen durch Hunde konnten auf einer dieser Brachen nur noch 3 anstelle von ehemals 8 bis 10 Brutpaaren festgestellt werden.

Auch in UN und HAM zeichnet sich also die landesweite Tendenz einer Konzentration der rückläufigen Bruten in wenigen Vorranggebieten ab. Die Biologische Station will daher Anfang März 2021 diese Konzentrationsgebiete vorab hinsichtlich der Fruchtarten kontrollieren, um bei geeigneten Kiebitzbrutflächen frühzeitig auf die Bewirtschafter zugehen zu können.

 


EIP – Projekt

Die Neueinwerbungen von Vertragsnaturschutzflächen im Kreis Unna gingen in 2020 überwiegend auf die verstärkten Bemühungen des neuen Beraters der Landwirtschaftskammer zurück, der im Rahmens des EU-Projekt „Entwicklung und Erprobung einer integrierten Strategie zur Förderung der Insekten- und Avifauna in der Hellwegbörde“ für das Vogelschutzgebiet Hellwegbörde in den Kreisen Soest und Unna eingestellten vorbereitet wurde. Die Akzeptanz von feldvogelgeeigneten Maßnahmen stagnierte auf den Hochertragsböden der Hellwegbörde besonders im Kreis Unna in den letzten Jahren auf sehr niedrigem Niveau. Ein landwirtschaftsaffiner Berater mit der Möglichkeit, gesamtbetriebliche, ökonomisch tragfähige Konzepte vorzuschlagen, kann die Hemmschwelle von Landwirten besser überwinden als die Beratung durch Naturschutzvertreter.

 

Die Biologische Station im Kreis Unna ist wie die Biologische Station im Kreis Soest Projektpartner in diesem dreijährigen Projekt der Landwirtschaftskammer. Zusammen mit Vertretern der Landwirtschaftskammer, des Landwirtschaftsverbandes und der beiden Unteren Naturschutzbehörden werden in einer „Operationellen Gruppe“ ergänzende und optimierte Maßnahmen erarbeitet sowie Öffentlichkeitsarbeit zu dem Thema durchgeführt.

 


„Runder Tisch“ mit der Landwirtschaft

Seit 2015 trifft sich die BS UN regelmäßig mit Vertretern der Landwirtschaftskammer, Landwirtschaftsverbandes und der Naturschutzbehörde an einem „Runden Tisch“, um Lösungen für alle in den Kreisen Unna und Hamm anliegenden Probleme zwischen Naturschutz und Landwirtschaft zu finden.

Für eine Akzeptanzsteigerung von dringend auszuweitenden Maßnahmen im Vogelschutzgebiet Hellwegbörde wurden in 2020 eigentlich Vorort-Treffen mit den Bewirtschaftern in den „Prioritären Maßnahmenräumen“ des Vogelschutzgebietes geplant. Dabei sollten anhand bestehender KLP-Flächen weiteren Landwirten die verschiedene Möglichkeiten zum Feldvogelschutz praxisnah dargestellt werden, die sowohl im Vertragsnaturschutz (im Rahmen des Kulturlandschaftsprogramms des Kreises) als auch der Agrarumweltmaßnahmen der Kammer angeboten werden. Coronabedingt fielen diese Vorort-Dialoge aus und wurden in das Jahr 2021 verschoben.