Konkurrenz Wildbiene – Honigbiene 2020

Klaus Klinger, Magnus Süllwold

 

In den letzten Jahren erfährt die Imkerei in Deutschland einen steten Zuwachs an Imkern und den von ihnen in Bienenstöcken betreuten Honigbienenvölkern (D.I.B. e.V. 2020). Dieser Trend ist auch für die Stadt Dortmund festzustellen. Verbunden damit sind steigende Nachfragen bei der Unteren Naturschutzbehörde der Stadt Dortmund, neue imkerlich betreute Honigbienenvölker in oder nahe bei Naturschutzgebieten aufzustellen. Es stellt sich die Frage, inwiefern von Imkern in Bienenstöcken betreute Honigbienen, in Konkurrenz zu den in den Naturschutzgebieten lebenden Wildbienen treten. Hierzu fand eine Auswertung aktueller Literatur statt, die die Situation beleuchtet.

 

Wildbiene an der Blüte des Gewöhnlichen Natternkopf.

 

  1. Honigbiene – Wildbiene

Die gemeinhin als Honigbiene bezeichnete Art meint in Deutschland die Westliche Honigbiene (Apis mellifera). Sie ist eine der 566 für Deutschland beschriebenen Bienenarten und ist in Europa, Asien und Afrika heimisch (WESTRICH 2019).

Die Honigbiene und die unter den „Wildbienen“ geführten Arten werden allesamt in der Unterfamilie Apiformes, den Bienen, zusammengefasst. Allesamt gehören sie zur Überfamilie Apoidea und zur Teilordnung Aculeata, den Stechimmen in der Ordnung Hymenoptera, den Hautflüglern. „Wildbienen“ stellen keine eigene Kategorie innerhalb dieser Systematik dar. Eine Abgrenzung der Wildbienen zu der Honigbiene erfolgte vielmehr durch die Tatsache, dass im Volksmund „die Biene“ oftmals mit der Honigbiene gleichgesetzt wird. Mit den „Wildbienen“ werden demnach die heimischen, überwiegend solitär lebenden Bienenarten von der von Imkern in Bienenstöcken betreuten Honigbiene abgegrenzt.

 

Honigbiene an der Blüte der Acker-Witwenblume.

 

Die Westliche Honigbiene (Apis mellifera) kann weiterhin in mehrere Unterarten unterteilt werden. FLÜGEL (2011) führt 27 Unterarten auf. Von diesen ist die Dunkle Europäische Biene (Apis mellifera mellifera) die ursprünglich in West- und Mitteleuropa heimische Unterart der Westlichen Honigbiene. Diese Unterart gilt in NRW (ESSER et al. 2009) und deutschlandweit (WESTRICH 2019) als wild lebende Population jedoch als „ausgestorben“.

Über die Schwarmbildung im Frühjahr vermehren sich imkerlich betreute Honigbienenvölker auf natürliche Weise. „Entkommen“ diese Schwärme aus der imkerlichen Obhut, so suchen sie sich geeignete Standorte zur Begründung eines neuen Staates. In diesen Fällen spricht man von „verwilderten Honigbienen“.

Die Überlebensfähigkeit wild lebender Honigbienen in deutschen Wäldern ist bislang wenig erforscht. Unter Forschern und Imkern herrschte bislang die einheitliche Meinung, dass verwilderte Honigbienen nur wenige Jahre ohne die imkerliche Obhut und einer Behandlung gegen die Varroamilbe in der Wildnis überleben können (KOHL & RUTSCHMANN 2018).

SEELEY (2017) kommt in seinen Untersuchungen zu wild lebenden Honigbienenvölkern im Bundesstaat New York zu dem Schluss, dass die wild lebenden Honigbienenvölker höchst wahrscheinlich über effektive und nur mit wenig Aufwand verbundene Abwehrmechanismen verfügen, wodurch kein Einfluss der Varroa-Milbe auf den Lebenszyklus der Population erkennbar ist. Demnach scheint das Überleben einer Population – bestehend aus mehreren Völkern wild lebender Honigbienen – trotz eines Befalls mit der Varroa-Milbe, langfristig möglich zu sein.

 

2. Gefährdung

Die Situation der Wildbienen und Wespen in Nordrhein-Westfalen ist im bundesweiten Vergleich als besonders schlecht einzustufen; der Anteil ausgestorbener oder vom Aussterben bedrohter Arten ist überproportional hoch. Hauptursachen sind Lebensraumverluste und -beeinträchtigungen als Folge der Nutzungsintensivierung in Land- und Forstwirtschaft, der Eutrophierung durch Lufteinträge und der unmittelbaren Flächenverluste durch Siedlungs- und Straßenbau“ (ESSER et al. 2009).

Alle heimischen Arten der Überfamilie der Apoidea zählen nach §1 der Bundesartenschutzverordnung zu den besonders geschützten Arten. Domestizierte Formen werden dabei ausgeschlossen. Als solche gilt insbesondere die Honigbiene (Apis mellifera).

 

3. Konkurrenz Honigbiene – Wildbiene

Als Konkurrenz wird der „Wettbewerb um Nahrung, Raum oder andere ökologische Erfordernisse (Ressourcen) zwischen zwei Organismen, die sich in ihren Lebensansprüchen ähnlich sind, ohne dass diese sich in ausreichendem Maße erfüllen lassen oder/und die durch gegenseitige Störeffekte Fortpflanzung und Überleben beeinträchtigen“ bezeichnet (SCHAEFER 1992).

 

      3.1 Nistplatzkonkurrenz

Für den Bau ihrer Nester graben die Wildbienen je nach Art Gänge in den Boden, in morsches Holz oder in markhaltige Pflanzenstengel, besiedeln bereits bestehende Hohlräume wie Käferfrassgänge in Totholz, hohle Pflanzenstengel, Erd-, Fels- und Mauerspalten, leere Schneckengehäuse oder verlassene Gallen oder bauen ihre Nester frei an Fels- und Pflanzenstrukturen“ (ZURBUCHEN & MÜLLER 2012).

Die von den Imkern betreuten Honigbienen bekommen ihren Nistplatz durch das Aufstellen der Beuten zur Verfügung gestellt.

Als Wildtier bewohnt die Honigbiene Baumhöhlen in Laub- oder Laubmischwäldern (ARNDT & TAUTZ 2020) oder entsprechend geeignete Hohlräume an Felsen (KUDERNATSCH 2012).

Die imkerlich betreuten Honigbienen stellen demnach keine Konkurrenz zu den Wildbienen in Bezug auf den Nistplatz dar.

 

Stehende Klotzbeute (ausgehöhlter Baumstamm) und weitere Bienenbehausungen aus den Anfängen der Imkerei.

 

Heutzutage gängige Bienenstöcke aus Holz.

 

   3.2 Nahrungskonkurrenz

Neben dem Vorhandensein geeigneter Niststrukturen ist weiterhin die Verfügbarkeit eines ausreichenden Angebots an Pollen und Nektar von entscheidender Bedeutung.

Diese Nahrungs-Ressource wird, allgemein betrachtet, von den Wildbienen wie auch den Honigbienen genutzt. Demnach kann es zu einer Nahrungskonkurrenzsituation zwischen Individuen einer Wildbienenart, zwischen Wildbienenarten, zwischen Wildbienen und „verwilderten Honigbienen“, wie auch zwischen Wildbienen und imkerlich betreuten Honigbienen kommen.

Ob letztlich eine Nahrungskonkurrenz vorliegt und in welchem Maße diese ausfällt, ist differenziert zu betrachten und von verschiedenen Faktoren abhängig. Ausschlaggebend ist das Verhältnis von der Anzahl der zur Verfügung stehenden Blüten und der sie aufsuchenden Bienen. Weiterhin spielen die für die Bienen zur Verfügung stehenden Pflanzenarten eine Rolle. Ebenso ist die betrachtete Wildbienenart von Bedeutung. Auch die Distanz des Neststandortes bzw. Bienenstockes zum Nahrungsgrund spielt eine Rolle.

 

   3.3 Reproduktion und Vitalität

Mit einer Überlappung der Nahrungsquelle geht nicht zwingend eine Beeinträchtigung der Wildbienenpopulation im Hinblick auf ihren Fortpflanzungserfolg einher.

Im Falle einer Überlappung können manche Wildbienenarten auf andere Blütenpflanzen ausweichen (ZURBUCHEN & MÜLLER 2012). Stellen diese Blütenpflanzen einen quantitativ und qualitativ adäquaten Ersatz in erreichbarer Nähe dar, so dürfte auch der Fortbestand der betrachteten Wildbienenpopulation an dem Standort gewährleistet sein. Werden die Bedingungen nicht erfüllt, so ist mit einem negativen Effekt auf den Fortpflanzungserfolg der Wildbienen zu rechnen.

 

  3.4 Schlussfolgerung

Bei der Betrachtung der Konkurrenz zwischen imkerlich betreuten Honigbienen und Wildbienen stellt sich die gemeinsam genutzte Ressource des Pollens und des Nektars der Blütenpflanzen als Dreh und Angelpunkt heraus. Viele Studien zeigen, dass es zu einer Nahrungskonkurrenz kommen kann. Dies lässt sich aber nicht verallgemeinern. Ob und wie nachteilig die Nahrungskonkurrenz ausfällt, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab. Hierzu zählen die betrachtete Wildbienenart, die Größe der im Gebiet vorkommenden Wildbienenpopulation, die Größe bzw. die Anzahl der imkerlich betreuten Honigbienenvölker, die Entfernung zu den Honigbienenstöcken und die Ausstattung des Lebensraumes mit der Anzahl und der Art der Blütenpflanzen. Je nach Zusammenwirken der oben genannten Faktoren, können sich negative Auswirkungen auch auf den Reproduktionserfolg einer oder mehrerer Wildbienenarten ergeben was eine Beeinträchtigung der Wildbienenpopulation nach sich zieht.

Um die Frage beantworten zu können, ob mit dem Aufstellen von imkerlich betreuten Bienenvölkern in einem bestimmten Dortmunder Naturschutzgebiet eine Beeinträchtigung der dortigen Wildbienenpopulation einhergeht, müsste letztlich einzelfallbezogen untersucht werden. Es wäre sicherlich sehr interessant diese Erkenntnisse auch für den Dortmunder Raum zu gewinnen, jedoch ist diese Vorgehensweise als Antwort auf Anfragen zum Aufstellen von Bienenstöcken in Naturschutzgebieten nicht praktikabel.

 

 

Verschiedene Wildbienenarten sammeln am Gewöhnlichen Natternkopf.

 

4. Empfehlungen

In unserer intensiv genutzten und strukturarmen Kulturlandschaft lastet ein hoher Druck auf den Wildbienen.

Aus naturschutzfachlicher Sicht darf dieser Druck durch das Aufstellen von imkerlich betreuten Honigbienenvölkern in oder nahe bei Naturschutzgebieten nicht noch weiter erhöht werden (Synergieeffekt), auch wenn ein Honigbienenvolk sicherlich nicht den entscheidenden Baustein im Zusammenspiel der negativen Einflüsse darstellt. Die Naturschutzgebiete gelten als „letzte Refugien für seltene Lebensräume und in diesen siedelnden Tier- und Pflanzenarten“.

Eine regelmäßige Pflegemahd gewährleistet den Fortbestand einer kleinflächigen artenreichen Feuchtwiese in einem Dortmunder Naturschutzgebiet.

 

In der Literatur finden sich unterschiedliche Empfehlungen zum Umgang mit imkerlich betreuten Honigbienenvölkern in Naturschutzgebieten:

  • WESTRICH (2019) führt aus, dass das gezielte Einbringen von Honigbienenvölkern in Schutzgebiete nur nach strenger Einzelfallprüfung und nur vorübergehend zugelassen werden sollte. Als Bespiele werden Schutzgebiete entlang großer Flüsse mit Weidenufergehölzen zur Blütezeit der Weide oder die Imkerei zur Blüte der Besenheide als lange Tradition genannt.
  • ZURBUCHEN & MÜLLER (2012) zitieren SHAVIT et al. (2009), die in Anbetracht der möglichen negativen Auswirkungen auf wildlebende Bienen, als Vorsichtsmaßnahme das Verbot zum Aufstellen von Honigbienenstöcken in Naturschutzgebieten nennen.
  • HENRY & RODET (2018) ermitteln eine Dichte von 3,5 Völkern pro km² unter der eine Nutzung der Honigbiene zur Honigproduktion möglich ist, aber auch der Schutz der Wildbiene gewährleistet wird. Die Autoren stellten insbesondere einen negativen Einfluss der Honigbiene auf die untersuchten Wildbienen in Entfernungen von 600 bis 900 m (1200m) zum Bienenstock fest. Die Autoren empfehlen, dass eine Regulierung der Anzahl und der Stellplätze der Honigbienenstöcke in Naturschutzgebieten neben der Dichte der Honigbienenvölker insbesondere zu Lebensräumen mit gefährdeten Pflanzen- oder Wildbienenarten auch über den Abstand geregelt werden sollte. Für jede Situation muss eine individuelle Lösung erarbeitet werden. Weiterhin sehen die Autoren die Möglichkeit einer nur zeitweisen Nutzung eines Standortes durch imkerlich betreute Honigbienen, um den Wildbienenpopulationen in Abwesenheit der Honigbiene die Möglichkeit zur Erholung zu geben. Den Autoren scheint die Steuerung der Konkurrenz der Honigbienen zu den Wildbienen über das Kriterium des Abstandes handhabbarer zu sein, als über die Dichte der Honigbienenvölker.

 

Vor dem Hintergrund der oben gemachten Ausführungen gibt die Literaturstudie folgende Empfehlungen:

  1. Das Aufstellen von imkerlich betreuten Honigbienenvölkern in Naturschutzgebieten und wildbienenreichen Lebensräumen ist zu unterlassen.
  2. Imkerlich betreute Honigbienenvölker müssen zu Naturschutzgebieten und wildbienenreichen Lebensräumen einen Abstand von mindestens einem Kilometer wahren.

 

 

5. Literatur

ARNDT, I. & J. TAUTZ (2020): Honigbienen Geheimnisvolle Waldbewohner. Knesebeck Verlag, München, 189 S.

D.I.B. e.V. (Deutscher Imkerbund e.V.) (2020): Imkerei in Deutschland Zahlen – Daten – Fakten (D.I.B.-Mitgliederstatistik) online verfügbar unter: https://deutscherimkerbund.de/ 161-Imkerei_in_Deutschland_Zahlen_Daten_Fakten. zuletzt aufgerufen am 20.10.2020.

ESSER, J., FUHRMANN M. & C. VENNE (2009): Rote Liste und Gesamtartenliste der Wildbienen und Wespen (Hymenoptera: Apidae, Crabronidae, Sphecidae, Ampulicidae,Pompilidae, Vespidae, Tiphiidae, Sapygidae, Mutillidae, Chrysididae) Nordrhein-Westfalens. 1. Fassung, Stand November 2009: in: AMPULEX, Zeitschrift für aculeate Hymnopteren 2|2010, S. 5 – 60. Online verfügbar unter: http://www.ampulex.de/ampu2.pdf. zuletzt aufgerufen am 21.08.2020.

FLÜGEL, H.-J. (2011): Die Honigbiene: Arten, Unterarten, Linien und Rassen. LEBBIMUK. Abhandl. Ber. Lebend. Bienenmuseum Knüllwald. Online verfügbar unter: http://www.academia.edu/download/47965982/Art-Unterart-etc.pdf. Zuletzt aufgerufen am 20.10.2020.

HENRY, M. & G. RODET (2018): Controlling the impact of the managed honeybee on wild bees in protected areas. Sci Rep 8, 9308 (2018). Online verfügbar unter: https://doi.org/10.1038/s41598-018-27591-y. zuletzt aufgerufen am 21.10.2020

KOHL, P.L. & B. RUTSCHMANN (2018): The neglected bee trees: European beech forests as a home for feral honey bee colonies. PeerJ 6:e4602 online verfügbar unter: https://doi.org/10.7717/peerj.4602. zuletzt aufgerufen am 21.10.2020.

KUDERNATSCH, M. (2012): Vielfalt für die Honigbiene. LWF aktuell 91. S. 46 – 48. Online verfügbar unter: https://www.waldwissen.net/de/waldwirtschaft/nebennutzung/sonstige-nebennutzungen/die-honigbiene-im-wald. Zuletzt aufgerufen am 23.10.2020.

SCHAEFER, M. (1992): Wörterbuch der Biologie. 3. Auflage, Jena, G. Fischer, 433 S.

SEELEY, T. D. (2017): Life-history traits of wild honey bee colonies living in forests around Ithaca, NY, USA. Apidologie 48: 743-754

SHAVIT, O., DAFNI, A. & G. NE’EMAN (2009): Competition between honeybees (Apis mellifera) and native solitary bees in the Mediterranean region of Israel—Implications for conservation.

WESTRICH, P. (2019): Die Wildbienen Deutschlands. 2. Auflage, Eugen Ulmer, Stuttgart, 824 S.

ZURBUCHEN, A. & A. MÜLLER (2012): Wildbienenschutz – von der Wissenschaft zur Praxis. Zürich, Bristol-Stiftung; Bern, Stuttgart, Wien, Haupt. 162 S.